Alain Spieser hat 40 Jahre lang in Spitzenhotels wie dem Four Seasons in Genf oder dem Hotel Royal in Evian gearbeitet und ist heute Professor an der Hotelfachschule in Genf. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was exzellenter Kundenservice bedeutet und wie man Menschen nicht nur im beruflichen Kontext sondern auch im Alltag überraschen und beeindrucken kann.
Alain, schön dich kennenzulernen! Du hast viele Jahre in der Hotellerie gearbeitet, bist jetzt Lehrer und berätst Unternehmen im Bereich Kundenservice. Ist es deiner Erfahrung nach einfacher oder schwieriger, online einen grossartigen Kundenservice zu haben im Vergleich zu offline?
Aus meiner Sicht ist es schwieriger, Kundenservice online zu betreiben. Wenn wir die Tourismusbranche nehmen, dann haben wir in der physischen Welt viele Möglichkeiten, unsere Kundinnen und Kunden zu überraschen und ihnen ein tolles Erlebnis zu bieten. Wir können sie am Hoteleingang begrüssen, sie auf ihre Zimmer begleiten und ihnen während ihres Aufenthaltes durchweg einen tollen Service bieten. Beim Online-Service hat man diese Möglichkeiten nicht in diesem Ausmass.
Wie kann man das Online-Service-Erlebnis verbessern?
Ich arbeite zum Beispiel mit Alpian zusammen, was sehr spannend ist, denn ihr Ziel ist es, eine Kultur der Service-Exzellenz für ein digitales FinTech zu schaffen. Es ist eine grosse Herausforderung, weil ich das noch nie gemacht habe. Bislang habe ich nur für „normale“ Banken gearbeitet, wo man physische Interaktionen mit der Kundschaft hat. Bei Alpian finden alle Interaktionen über Chat und Video statt. Es war sehr interessant, mit ihnen an Standards und Werten für dieses digitale Kundenerlebnis zu arbeiten.
Wie sehen solche Standards und Werte im Kundenservice aus?
Während meiner Zeit im Four Seasons habe ich gelernt, dass es drei Schritte für einen grossartigen Kundenservice gibt. Das Wichtigste dabei ist, dass der Basisservice perfekt ist. Ich nenne das „Get it right“. „Get it right“ gibt der Kundschaft den besten Service, den sie erwarten und für den sie bezahlen. Das ist die Grundlage.
Der nächste Schritt ist „Get me right“. Dieser Schritt ist persönlicher, hier lernen wir wirklich ihre individuellen Vorlieben kennen und gehen darauf ein, wie zum Beispiel eine bestimmte Art von Musik, die sie gerne hören, oder eine spezielle Diät, die sie bevorzugen.
Der dritte Schritt ist der „Wow me if you can“-Schritt. Hier gehen wir im Kundenservice noch einen Schritt weiter und überraschen und erfreuen die Kundinnen und Kunden. Das funktioniert, weil die Leute nicht erwarten, dass man das tut und sie sich daran erinnern werden.
In der Realität wird jedoch sehr oft nicht einmal der einfache Standardservice erreicht, weil es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Training oder Motivation mangelt. Indem man den Standard erfüllt, der erwartet wird, ist man oft bereits besser als der Wettbewerb. Das Ganze funktioniert übrigens in allen menschlichen Beziehungen, nicht nur im beruflichen Kontext.
Kannst du ein Beispiel dafür nennen?
Nimm einen Dialog mit jemandem. Wenn du das Gespräch aus einer Kundenservice-Sicht angehst, sollte es dein Ziel sein, die andere Person dazu zu bringen, so viel wie möglich über sich selbst zu sprechen. Die meisten von uns sind ziemlich egozentrisch und mögen es, von sich selbst sprechen. Sprich über Dinge, die sie begeistern, stell‘ Fragen, hör‘ zu und schon klickt es.
Dann kommt der zweite Schritt ins Spiel, das „Get me right“. Je mehr du über die andere Person weisst, desto mehr kannst du auf ihre Persönlichkeit eingehen. Fragen zu stellen und den Antworten zuzuhören ist der Anfang, aber du musst die Antworten auch nutzen.
Der dritte Schritt ist nicht zwingend jedes Mal erforderlich und er erfordert etwas Übung und Mühe. Es ist wichtig zu verstehen, dass man diese „Wow“-Momente nur erreichen kann, wenn die ersten beiden Schritte erfüllt sind. Die Basisdienstleistung muss der Standard sein. Abkürzungen und der Versuch, jemanden zu beeindrucken, ohne dass der grundlegende Service stimmt, können nur nach hinten losgehen.
„Für mich sind gute persönliche Interaktionen eine Sache des Zuhörens.“
Hast du ein konkretes Beispiel dafür, wie man jemanden in einer persönlichen Beziehung beeindrucken kann?
Nehmen wir mal ein erstes Date. Ihr habt euch über eine App kennengelernt und auf einen Drink verabredet. Aus Kundenservice-Perspektive würdest du zunächst die andere Person den Ort vorschlagen lassen, an den sie gerne gehen möchte. Und dann, bei dem Treffen, wirst du versuchen, dass diese Person so viel wie möglich von sich selbst erzählt.
Schliesslich erfährst du vielleicht, dass diese Person Jazz liebt. Also könntest du sie beim nächsten Mal zu einem Jazz-Festival mitnehmen. Die andere Person muss bei den Interaktionen im Fokus stehen, nicht du. Natürlich muss es am Ende ein Austausch sein, auch die andere Person muss versuchen, dich zu beeindrucken. Aber für mich sind gute persönliche Interaktionen eine Sache des Zuhörens.
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Haftungsausschluss:
Alpian hat bei der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) einen Antrag auf eine Vollbanklizenz eingereicht. Der Inhalt dieser Publikation dient nur zu Informationszwecken. Diese Informationen sollten nicht als Rechts-, Steuer-, Anlage-, Finanz- oder sonstige Beratung ausgelegt werden.