Ziel der Verhaltensökonomie ist es, den Einfluss psychologischer Faktoren wie Emotionen, Fehlwahrnehmungen und kognitiver Verzerrungen auf unsere finanziellen Entscheidungen abzubilden und zu quantifizieren. Ihre Erkenntnisse können dafür genutzt werden, bessere Entscheidungen beim Investieren zu treffen.
Der Gewinn-Verlust-Test
Stell Dir vor, Du hast die Wahl zwischen einem blauen und einem roten Knopf. Wenn Du den blauen Knopf drückst, bekommst Du garantiert CHF 50 auf Dein Bankkonto gutgeschrieben. Du kannst das Geld in jedem Fall behalten, ohne Bedingungen. Wenn Du jedoch den roten Knopf drückst, hast Du eine 50-prozentige Chance, 100 CHF zu erhalten und eine 50-prozentige Chance, nichts zu bekommen.
Wofür entscheidest Du Dich? Wenn Du den blauen Knopf drückst, verpasst Du die Chance, CHF 100 zu gewinnen. Drückst Du den roten Knopf riskierst Du, mit leeren Händen dazustehen. Studien haben gezeigt, dass die meisten Menschen den blauen Knopf wählen würden. Die absolute Sicherheit, CHF 50 zu gewinnen, gefällt ihnen besser als das Risiko, nichts zu gewinnen.
Eine kognitive Verzerrung ist ein Denkfehler, der dadurch entsteht, dass unser Gehirns Informationen vereinfachen will.
Drehen wir nun das Szenario um.
Wenn Du diesmal den blauen Knopf drückst, werden sofort CHF 50 von Deinem Konto abgezogen. Wenn Du aber den roten Knopf drückst, besteht eine 50-prozentige Chance, dass 100 CHF von Deinem Konto abgezogen werden und eine 50-prozentige Chance, dass Dein Konto unangetastet bleibt. Genau wie im vorherigen Fall bietet das Drücken des blauen Knopfes ein klares Ergebnis, während der rote Knopf genau das gleiche Risiko wie zuvor bietet – 50 Prozent. Anstatt jedoch 100 CHF zu verdienen, könntest Du diesmal 100 CHF verlieren.
Überraschenderweise entscheiden sich die meisten Leute in diesem Szenario dafür, den roten Knopf zu drücken, auch wenn sich dadurch ihre Verluste verdoppeln könnten. Warum ist es so, dass es die meisten Menschen vermeiden, ein Risiko einzugehen, um 50 CHF zu gewinnen, aber das Risiko in Kauf nehmen, um 50 CHF nicht zu verlieren?
Erkennen von Voreingenommenheit
Diese Abweichung vom analytischen Denken wird als kognitive Verzerrung bezeichnet. Eine kognitive Verzerrung ist ein Denkfehler, der durch den Versuch unseres Gehirns verursacht wird, Informationen zu vereinfachen. Das wohlmeinende Gehirn will uns helfen, schnellere Entscheidungen zu treffen, uns im Alltag zurechtzufinden und Muster schnell zu erkennen. Aber es neigt auch dazu, bestimmte vorgefasste Meinungen zu entwickeln, welche unser Gesamturteil beeinflussen.
Laut Dr. Daniel Kahneman, einem der einflussreichsten Vertreter der Verhaltensökonomie, hat unser Gehirn zwei Arbeitsweisen:
– System 1: schnell, unbewusst, mühelos und intuitiv. Dieses System stützt sich auf mentale Abkürzungen und ist anfällig für die meisten kognitiven Verzerrungen.
– System 2: langsam, logisch, akribisch und überlegt. Dieses System wird verwendet, wenn wir in der Schule Matheaufgaben lösen oder einem Freund komplizierte Konzepte erklären.
Verlust-Aversion ist eine kognitive Verzerrung, die in Situationen entsteht, in denen das Gehirn System 1 verwendet. Sie macht uns im Durchschnitt doppelt so empfindlich gegenüber Verlusten wie gegenüber Gewinnen. Wie in unserem obigen Beispiel gehen wir Risiken ein, um nicht zu verlieren, aber nicht, um mehr zu gewinnen. Wir schätzen auch Wahrscheinlichkeiten falsch ein – das heisst, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ereignis eintritt. Im Durchschnitt werden große Wahrscheinlichkeiten, wie ein Autounfall, unterschätzt und kleine Wahrscheinlichkeiten, wie ein Gewinn im Casino, überschätzt.
Ein Wandel im Denken
Die wichtigste Innovation in der Verhaltensökonomik besteht darin, diese kognitiven Verzerrungen in die klassischen Wirtschaftsmodelle einzubeziehen. Denn die klassischen Modelle basierten auf der Annahme, dass die Menschen rational und egozentrisch sind. Die Einführung von Emotionen und kognitiven Verzerrungen in diese Entscheidungsmodelle war revolutionär.
So entstand die Verhaltensökonomie, insbesondere dank Dr. Daniel Kahneman und Dr. Amos Tversky – den ersten Psychologen, die mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet wurden. Sie entwickelten eine neue Theorie, die vor allem darauf abzielte, den Begriff der Verlustaversion und der Wahrscheinlichkeitsverzerrung in die klassischen Wirtschaftsmodelle zu integrieren: die so genannte Prospect-Theorie.
Die Prospect-Theorie besagt, was wir mit unseren roten und blauen Knöpfen veranschaulicht haben: dass Menschen Gewinne und Verluste nicht gleich bewerten, weil wir nicht nur von Logik und Vernunft geleitet werden. Die Theorie wird allgemein als eine genauere Erklärung dafür angesehen, wie wir Entscheidungen in Bezug auf Gewinne und Verluste treffen.
Wie können wir Behavioural Finance anwenden?
All diese Konzepte sollen nicht nur Theorie bleiben, sondern in der Finanzwelt angewandt werden. Finanzberater müssen diese Konzepte in die Anlagestrategien für Anleger einbeziehen. Und ebenso wichtig ist es, dass die Anleger versuchen, ihre eigenen kognitiven Verzerrungen zu erkennen, um aufgeklärte Entscheidungen zu treffen. Es wird spannend sein zu sehen, wie aufstrebende Finanzdienstleister die Erkenntnisse der Prospect-Theorie nutzen, um die wahren Risikopräferenzen der Anleger zu erfassen und so zu versuchen, sie besser zu bedienen. Und, was noch wichtiger ist: um Anlagedienstleistungen mit einem besseren Verständnis für die Menschen anzubieten.
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Haftungsausschluss:
Der Inhalt jedes Beitrags auf dieser Website dient nur zu Infomationszwecken.
Alpian wird seine Produkte und Dienstleistungen kurz nach Inkrafttreten seiner Banklizenz auf den Markt bringen und im dritten Quartal 2022 für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Über den Autor:
Tiphaine Saltini, Absolventin der HEC und der ENS Ulm/Harvard, arbeitete in der Privatbankbranche, während sie an der Sorbonne in Behavioral Finance promovierte. Als leidenschaftliche Kognitionswissenschaftlerin gründete sie 2016 zusammen mit Julien Revelle, einem Experten für maschinelles Lernen und quantitative Finanzen, Neuroprofiler. Neuroprofiler ist ein Behavioral-Finance-Spiel, das Anlagepräferenzen im Einklang mit den MiFIDII/LSFin-Vorschriften bewertet.
Erkennen von Voreingenommenheit
Diese Abweichung vom analytischen Denken wird als kognitive Verzerrung bezeichnet. Eine kognitive Verzerrung ist ein Denkfehler, der durch den Versuch unseres Gehirns verursacht wird, Informationen zu vereinfachen. Unser Gehirn meint das natürlich gut und will uns helfen, schnellere Entscheidungen zu treffen, damit wir uns im täglichen Leben zurechtfinden, Muster schnell erkennen können.
Daher neigt es aber dazu, bestimmte vorgefasste Meinungen zu entwickeln, die unser Gesamturteil beeinflussen. Laut Dr. Daniel Kahneman, einem der einflussreichsten Wissenschaftler der Verhaltensökonomie, hat unser Gehirn zwei Arbeitsweisen:
- Das System 1, das schnell, unbewusst, mühelos und intuitiv funktioniert. Dieses System verlässt sich auf mentale Abkürzungen und ist anfällig für die meisten kognitiven Verzerrungen.
- Das System 2 ist langsam, logisch, überlegt und abwägend. Dieses System wird verwendet, wenn wir in der Schule Matheaufgaben lösen oder einem Freund komplizierte Konzepte erklären.
Sie entsteht, wenn das Gehirn System 1 verwendet und macht uns im Durchschnitt doppelt so empfindlich gegenüber Verlusten wie gegenüber Gewinnen. Die Angst vor Verlusten, wie wir es in dem Beispiel mit den Knöpfen erlebt haben, (auch: Verlustaversion) ist eine solche kognitive Verzerrung. Wie in unserem obigen Beispiel gehen wir Risiken ein, um nicht zu verlieren, aber nicht, um mehr zu gewinnen. Wir nehmen auch Wahrscheinlichkeiten falsch wahr, oder die Chance, dass ein Ereignis eintritt. Im Durchschnitt werden große Wahrscheinlichkeiten, wie ein Autounfall, unterschätzt und kleine Wahrscheinlichkeiten, wie ein Gewinn im Casino, überschätzt.
Eine Veränderung des Denkens
Die wichtigste Neuerung der Verhaltensökonomie besteht darin, diese kognitiven Verzerrungen in die klassischen Wirtschaftsmodelle einzubeziehen. Diese klassischen Modelle waren auf der Annahme aufgebaut, dass Individuen rational und egozentrisch sind. Die Einführung von Emotionen und kognitiven Verzerrungen in diese Entscheidungsmodelle war revolutionär.
So entstand die Verhaltensökonomie, vor allem dank Dr. Daniel Kahneman und Dr. Amos Tversky, den ersten Psychologen, die mit einem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet wurden. Sie entwickelten die sogenannte Prospect-Theorie, die vor allem darauf abzielte, den Begriff der Verlustaversion und der Wahrscheinlichkeitsverzerrung in die klassischen ökonomischen Modelle zu integrieren.
Die Prospect-Theorie besagt, was im Beispiel mit den roten und blauen Knöpfen gezeigt wurde, nämlich, dass Menschen Gewinne und Verluste nicht gleich bewerten, weil wir nicht rein von Logik und Vernunft getrieben sind. Die Theorie wird allgemein als eine genauere Erklärung dafür angesehen, wie wir Entscheidungen in Bezug auf Gewinne und Verluste treffen.
Wie kann die Prospect-Theorie beim Investieren helfen?
All diese Konzepte sollen nicht theoretisch bleiben, sondern in der Finanzwelt angewendet werden. Finanzberater/innen müssen diese Konzepte in Anlagestrategien für Investor/innen einfließen lassen. Und ebenso wichtig ist es, dass Anleger/innen versuchen, ihre eigenen kognitiven Verzerrungen zu erkennen, um aufgeklärtere Entscheidungen zu treffen. Es wird spannend sein zu sehen, wie aufstrebende Finanzdienstleister die Erkenntnisse der Prospect-Theorie nutzen, um die wahren Risikopräferenzen von Anleger/innen zu erfassen und sie auf deren Basis besser zu beraten. Und, was noch wichtiger ist, um humanere Anlagedienstleistungen anzubieten.
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